Ich würde gerne gute Gründe gegen die Notwendigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine hören. Der #offenerbrief aber enthält keine. Er ist eher eine intellektuelle Beleidigung. Ich empfinde das übrigens auch als persönliche intellektuelle Beleidigung, da die Initiatorin auch /1
mich um Erstunterzeichnung gebeten hat - deshalb dieser thread.
Ich habe sehr höflich abgelehnt. Die zitierte Textstelle ist Grund genug: Das imaginierte Motiv des Aggressors westlichen Waffenlieferungen zuzuschreiben, ist zu simpel. Das Argument verkennt zum einen, /2
Ich habe sehr höflich abgelehnt. Die zitierte Textstelle ist Grund genug: Das imaginierte Motiv des Aggressors westlichen Waffenlieferungen zuzuschreiben, ist zu simpel. Das Argument verkennt zum einen, /2
dass das Motiv des Verbrecherischen mit dem Angriff auf die Ukraine schon deutlich dokumentiert ist. Zum anderen verkennt es, dass die Drohung mit dem Atomschlag ein Spielzug ist, exakt die Reaktionen zu provozieren, die in dem Brief formuliert werden. /3
Es ist mindestens naiv, damit nicht einmal zu rechnen und zu glauben, man könne sich so schlicht heraushalten. Der Angriff auf die Ukraine war von Anfang an ein Angriff auf ganz Europa – man lese etwa Alexander Dugins eurasisch-faschistische Polemiken gegen den Westen - /4
eine Blaupause dafür, dass jemand wie Putin keine externen Gründe benötigt, um zu eskalieren, wenn er es will, sogar nuklear. Die Situation ist viel gefährlicher, als diese Leute es sich vorstellen können, denen das Autokratische des Aggressors übrigens kein Wort wert ist. /5
Eine Ungeheuerlichkeit ist die Behauptung der Nicht-Zuständigkeit der ukrainischen Regierung (die doch ganz offensichtlich kaum Loyalitätsverluste der eigenen Bevölkerung zu beklagen hat). Und das dann noch mit dem Argument, moralisch verbindliche Normen seien universal. /6
Allenfalls können Begründungen moralischer Normen universalistisch sein, aber eine moralische Norm ist nicht per se universaler Natur in dem Sinne, dass sie nicht von partikularen Akteuren beansprucht werden könnte, wie hier insinuiert wird. Das ist schlichter Blödsinn. /7
Universaler Natur mag allenfalls das Selbstbestimmungsrecht von Staaten im Hinblick auf ihre eigenen existentiellen Fragen sein. Universalistisch in der UN-Charta begründet übrigens und zumindest de iure bindend für alle Beteiligten, aber faktisch nicht durchsetzbar. /8
Was sind nun die Gründe, gegen Waffenlieferungen zu argumentieren? Dieser Brief enthält keine einzige Begründung, sondern nur Behauptungen und falsche Prämissen – und eine Schlussfolgerung: dass das Problem nur durch einen Kompromiss gelöst werden könne. /9
Kompromisse setzen ein gemeinsames Ziel voraus. Dieser Kompromiss kann nach der Logik des Briefes nur die bedingungslose Kapitulation der Ukraine sein, die von einem der Unterzeichner in einem erläuternden Radiointerview mit schiefen historischen Vergleichen /10
bereits als Lösung vorgeschlagen wurde. Würde man das vorherige Argument ernst nehmen, könnte man auch sagen: Das wäre doch geradezu eine Einladung für den Aggressor, sich weiterhin eskalierend verbrecherisch zu betätigen, wenn ihm nicht militärisch die Stirn geboten wird, /11
denn ganz offensichtlich sind nach dem Verständnis dieser Intellektuellen die Motive Putins vor allem eine Funktion des westlichen Handelns. Aus der vorherigen Prämisse lassen sich also unterschiedliche Schlüsse ziehen. /12
Man kann den Autor/innen nur zurufen: Ihr dokumentiert, dass es Euch gar nicht um die Sache geht, sonst hättet Ihr es mit guten Gründen versucht. Es geht nur darum, sich im besorgten Modus des Einmischens möglichst herauszuhalten. Aber wir sind schon mittendrin. /13 und Ende.