Hyperinflation und Weimarer Republik: Ein Großteil der Deutschen hat verzerrte Bilder der Wirtschaftsgeschichte vor dem inneren Auge, die fest in die kollektive Erinnerung eingeschrieben sind und aktuelle Inflationssorgen befeuern. Mein neuer Kommentar im @handelsblatt. Thread /1

Repräsentative Umfrage @LHaffert, @niredeker und @tobirommel: Fast die Hälfte der Befragten vermischt Massenarbeitslosigkeit und Armut der frühen 1930er-Jahre mit der Hyperinflation, die 1923 ein Ende nahm. Vermischung bei Gebildeten und politisch Interessierten häufiger /2

Nur 1 von 25 Deutschen weiß, dass die Krise der 1930er-Jahre durch Deflation (sinkende Preise) geprägt war. Die Weimarer Republik sei durchgehend durch zu hohe Inflation geplagt gewesen. /3

https://www.hertie-school.org/fileadmin/user_upload/20191118_Inflationsangst_Redeker_DE.pdf

Weil die Hyperinflation bis 1923 und die Große Depression der 1930er-Jahre in der kollektiven deutschen Erinnerung zu einem Ereignis verschmelzen, kann im öffentlichen Diskurs eine falsche Vorstellung dominieren: Die Hyperinflation habe direkt zum Aufstieg der Nazis geführt. /4

Dabei zeigt aktuelle Forschung mit Inflationsdaten für mehr als 500 deutsche Städte und mit Wahlergebnissen zwischen 1924 und 1933: Menschen in Gebieten, die stärker von (Hyper-)Inflation betroffen waren, wählten nicht in stärkerem Ausmaß die Nazis. /5

http://www2.unavarra.es/gesadj/depEconomia/repec/DocumentosTrab/DT2101.PDF

Nazis hatten 1928 nur 2% der Stimmen, 1932 38%. Masseneffekt der Wahlerfolge der Nazis Anfang der 1930er-Jahre geschah bei Deflation. Die Austeritätspolitik von Reichskanzler Brüning beförderte die Wahlerfolge der Nazis. /6

Wegen schwerwiegender Auswirkungen des Zusammenbruchs der Demokratie bleibt die Erinnerung an die Weimarer Republik ein zentraler Referenzpunkt für die Nachkriegspolitik. Doch leider werden Schlüsse für aktuelle Wirtschaftspolitik auf Basis verzerrter Erinnerungen getroffen.

Hier ist der Link zu meinem vollen Kommentar im @handelsblatt:

https://www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/homo-oeconomicus/gastkommentar-homo-oeconomicus-die-deutschen-inflationssorgen-speisen-sich-aus-einem-verzerrten-geschichtsbild/27179124.html