Thread.
Ihr habt mir nun oft die Frage gestellt, wann ES anfängt. Ab wann Menschen Querdenker/ Fachisten werden. Und etliche fahren noch auf den Zug " mit ihnen reden". Verständnis. Auf sie zugehen. Ich weiß das.
Drum erzähle ich euch eine wahre Geschichte. Ihr wisst,
ich bin Pädagogin. Heute arbeite ich mit traumatisierten Kindern. Vor vielen Jahren aber in erster Linie mit autistischen Kindern. In allen Schulformen. Damals noch seltene Projekte. Eine autistische, nichtsprechende Autistin war seit Grundschule fest integriert in ihrer Klasse
In der 9. Klasse, die Pubertät setzte ein, kam ein neuer Junge in die Klasse. Schnell wurde er wegen seines Zynismus von den Jungs hofiert , von den Mädchen angehimmelt. Für mich erschien er wesentlich älter.Egozentrisch.Kalt. berechnend. Es dauerte nicht lange, da hatte er die
autistische Mitschülerin der Klasse entfremdet. Dafür ging er schrittweise vor. Zunächst waren es Späße, noch lustig und harmlos. Mit der Zeit wurden sie eindeutiger,ausgrenzender, beleidigender. Es flogen die ersten Papierkügelchen. Die Assistentin war überfordert und
machtlos. Etwa 3 Monate nachdem der Junge in die Klasse gekommen war, hatte er eine Jungenclique um sich aufgebaut, die ihm komplett die Wünsche von den Augen ablasen. Und die waren nicht gut. Die Assistentin wurde tatsächlich an einem Nachmittag von ihnen bedroht. Sie hatten
sich wohl vor ihr aufgebaut, ihr den Weg versperrt und sie beleidigt. Stets, wenn ich in der Nähe war, passierte von all dem nichts. Dass sie begonnen hatten, die Autistin während des Unterrichts verbal zu quälen und lächerlich zu machen , entzog sich entsprechend eigener
Beobachtung. Eines Morgens gab es eine Aktion bekannter regionaler Nazis ( NPD und Umfeld) die versuchten, an dieser Schule CDs mit bekanntem Rechtsrock zu verteilen. Als ich, wohnte gleich gegenüber der Schule, aus dem Fenster sah, sah ich den besagten Schüler in vertrauter
Pose kommunizieren.
Die Lehrer:innen mit denen ich am Morgen ein Krisengespräch hatte, sahen sich komplett überfordert und hatten keine Idee , dem zu begegnen. Gespräche mit Vater und dessen Lebensgefährtin verfehlten ihr Ziel. Es wurde schlimmer.
Dann musste ich die
Reißeine ziehen. Er begann das autistische Mädchen zu stark zu belasten. So wagte ich ein Experiment. Ich kannte Faschisten. Ich war bereits viele Jahre Antifa. Ich wusste wie sie ticken. Ich wusste das Gespräche keine Wirkung erzielen würden. Mein einziger Joker: der Schüler
zeigte nun auch im Leistungsbereich Einbrüche. Erziehungsberechtigte und Lehrer waren handlungsunfähig. So wagte ich es und fand einen Lehrer, der sagte:" Mach es." Wie bereits beschrieben war ich für viele Schulformen zuständig. So konnte mein Plan überhaupt funktionieren.
Ich konnte die Schulleitung einer Förderschule mit ins Boot holen. Der ich folgendes unterbreitete: "Wir müssen die Seele eines Jungen retten. Wenn ihr einverstanden seid: ich bringe ihn mit. Ich muss mit ihm alleine sein. Er darf mit in eine Klasse. Kurz zum guten Tag sagen.
Dann werde ich mich mit ihm isolieren und danach nur sagen "es ist gelungen". Oder " nein". So nahm ich den Schüler in Absprache mit Schulleitung, Sorgeberechtigten und auch ihm selbst mit mir ( ich hatte ihm klar gesagt, dass es für ihn schulisch kurz vor Rauswurf
steht und er nur eine Chance bekommt. Die er ergreifen könne oder eben nicht. schwarz/ weiß. Ja/nein. Kein Geplänkel, kein Drumrumgerede. Als wir in der Schule waren konfrontierte ich ihn. Knallhart und eiskalt. sagte ihm, dass ich wüsste, dass er bei Nazis abhängt. Und spiegelte
ihm wie er Menschen schädigt. Beim spiegeln sah ich Zucken in seinem Gesicht. Ich sagte ihm emotionslos, dass ich wissen will, warum es ihm so dreckig ginge, dass er so kalt geworden ist. Zucken an den Mundwinkeln.
Ihr könnt euch denken , wie sehr ich
ihn betroffen machte. Ihm zeigte, wie abscheulich er war. Er sperrte sich Recht schnell nicht mehr. Und begann zu erzählen. Von der Scheidung der Eltern. Der Stiefmutter, mit der er nicht klar käme. Es brach aus ihm heraus. Es war, als wären alle Damme gebrochen.Als er eine
Stunde geredet hatte, sagte ich ihm, wir könnten einen Break machen und Mal raus gehen. Draußen traf er dann auf einige behinderte Kinder. Ein kleinwüchsigen Junge lief ihm strahlend entgegen und fragte ihn, wer er sei .
Ich wusste zu diesem Zeitpunkt, jetzt oder nie. Als
wir weitergingen , erklärte ich ihm , er habe soeben ein sterbendes Kind gesehen. Das aufgrund einer Erkrankung eine sehr kurze Lebenserwartung habe. Dann erklärte ich ihm die Ideologie von Faschisten zu Menschen mit Behinderungen. Ab da sind wir nicht mehr weitergegangen...
Er hockte sich auf den Boden und weinte und weinte. Ich ließ ihn bis er sich beruhigt hatte. Dann sagte ich zu ihm:" Du kannst dich entscheiden. Entscheiden ob du den Weg nehmen willst , ein bösartiger, herzloser Mensch zu werden oder eben das,
was ich in dir sehe: Ein sehr gekränkter , trauriger Junge. Der großartig werden kann. Wenn er sich entscheidet.
Nach 3 Stunden trennten sich unsere Wege. Wir konnten uns in den Arm nehmen. Er ist bis zum Abitur keine Minute mehr dieses zynische Wesen gewesen. Er hatte
sich ganz offensichtlich entschieden.. und ich hab mein Versprechen gehalten. Und nur zurückgemeldet "es ist gelungen". https://abs.twimg.com/emoji/v2/... draggable="false" alt="🌹" title="Rose" aria-label="Emoji: Rose">https://abs.twimg.com/emoji/v2/... draggable="false" alt="❤️" title="Rotes Herz" aria-label="Emoji: Rotes Herz">
Oh zum Schluss. Mich hat ein lieber Mensch heute morgen inspiriert zu diesem Thread. Ich hatte die Geschichte von M. fast schon vergessen.
Danke, @cos_meyer https://abs.twimg.com/emoji/v2/... draggable="false" alt="🌹" title="Rose" aria-label="Emoji: Rose">
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