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Mütend-Thread 👇(lang, sorry)

Immer öfter ziehen Politiker als Ass jene Weisheit aus dem Ärmel, dass es ja keine Rezepte, keinen Masterplan für die Pandemiebekämpfung gebe; jede Gemeinschaft würde per Definition einen Trial-and-Error Prozess durchgehen müssen.
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Dies ist für mich immer eine hochinteressante Aussage, zumal sie ein entscheidendes Element voraussetzt, welches aus gutem Grund nicht genannt wird: dass nämlich die Interessen der Wirtschaft, die Produktion von den Maßnahmen weitgehend unberührt bleiben.
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Wenn man dies voraussetzt – und nur dann! – stimmt der Satz. Wenn man tatsächlich als gegeben ansieht, dass die Betriebe voll sind, die ÖPNV voll sind, und die Schulen voll sind, dann bringen diese alleine schon so viele Kontakte mit sich,
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dass die Epidemiebekämpfung auch eine *intellektuelle* Herausforderung wird, und man tatsächlich den privaten Bereich sehr arg begrenzen muss, damit das Geschehen beherrschbar bleibt.
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Lässt man diese Annahme weg, so ist die Weisheit natürlich grob falsch: man weiß ganz genau, wie man Inzidenzen ohne solcher künstlichen Rahmenbedingungen recht schnell und wirksam runterprügelt.
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Aber genau diese Frage; das Bestehen oder Fehlen dieser Rahmenbedingung ist zentral in der ganzen politischen Auseinandersetzung mit Covid.
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Zentral, aber weitgehend unausgesprochen denn die gesamte Politik ist sich offenbar in dieser Frage faktisch einig, und hat somit kein Interesse, überhaupt eine Diskussion darüber zu eröffnen - in welchem Vorhaben sie von den Medien leider weitgehende Unterstützung erfährt.
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Ich bin überzeugt, die aus dieser Spannung entwachsende grundlegende Unehrlichkeit des gesamten Diskurses und die Eingeengtheit des strategischen Raums sind maßgeblich für sowohl die schwache Leistung der Politik als auch fürs allgemeine Unbehagen und Wütigkeit verantwortlich.
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Zum einen führt es ja auf der Maßnahmen-Ebene zur Einseitigkeit in der Verteilung der Lasten – der Privatbereich erfährt langfristig sehr bedeutende Einschränkungen, und muss diese trotzdem als sinnlos erfahren, zumal sie das Infektionsgeschehen nicht runterbringen.
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Dazu kommt aber, dass auf der kommunikativen Ebene zwei hochmanipulative und hochdestruktive Techniken angewendet werden, um diese Situation aufrechterhalten zu können:
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1. Die politische und mediale Ignoranz bzw. Tabuisierung von Maßnahmen, die wirksam wären, aber für die Politik unerwünscht sind

2. Die durchgehende, bewusste Verfälschung der öffentlichen Meinung
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Zu 1: Politik und Medien beschränken in ihrer Darstellung den strategischen Raum seit mindestens den Anfang der zweiten Welle auf eine digitale Wahl: private Kontakte *noch* weiter beschränken, ja oder nein.
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Somit wird die Bevölkerung beständig auf die perpetuierte Bearbeitung eines gekünstelten und falschen Dilemmas konditioniert, nämlich zwischen Gesundheit und Freiheitsrechten wählen zu müssen.
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Das kanalisiert nicht nur die Frust in für die Politik ungefährliche Richungen, sondern gibt auch unendlich Stoff für Diskussionen - und diese sind tatsächlich auch unendlich, zumal die Epidemie mit *nur* privaten Begrenzungen kaum in den Griff zu kriegen ist.
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Somit hat die Bevölkerung letztendlich, wie auch die Diskussion enden mag, weder eine Senkung des Infektionsgeschehens noch ihre vollen Freiheitsrechte – dies ist der unausgesprochene Preis für die Aufrechterhaltung der Rahmenbedingung.
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Zu 2: Um über „echte“ Maßnahmen gar nicht erst sprechen zu müssen, um den bewussten Verzicht auf wirksames Handeln gar nicht erklären zu müssen, konstruieren Politik und Medien eine Bevölkerungshaltung, die es so einfach nicht gibt.
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Politik und Medien sprechen immer zu diesem imaginären, stark infantilisierten, zu keinem Opfer bereitem Volk und blenden bewusst aus, dass mittlerweile 1/2-2/3 der Befragten schärfere Maßnahmen fordert, um eine echte Perspektive zu haben.
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Beide Punkte – wirksame Maßnahmen, die das Infektionsgeschehen sehr schnell und wirksam senken würden, aber wirtschaftliche Interessen berühren, und die echte, gemessene Mehrheitshaltung - werden von Politik und Medien totgeschwiegen bzw. sind faktisch Tabu.
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Es ist immer wieder interessant zu beobachten, dass selbst, wenn sie hin und wieder z.B. in einer Polit-Talkshow Erwähnung finden, i.d.R. alle kurz innehalten, und dann die Diskussion unter vollständiger Ignoranz des Gesagten einfach in ihrer üblichen Bahn weitergeht.
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Insgesamt ist es offensichtlich, dass die Politik mittlerweile ihr Interesse an Covid verloren hat, sich am liebsten mit dem Thema gar nicht mehr auseinandersetzen würde, und ihr Fokus auf die anstehenden Wahlen richtet.
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Dem unterliegt offensichtlich die Hoffnung, dass die Impfung bald das ganze Problem löst, und die Erfahrungen, unnötigen Opfer usw. bis September weitgehend vergessen sind.
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Ich bin tatsächlich sehr gespannt, ob sich dies bewahrheitet: zum einen haben WählerInnen in der Tat oft ein kurzes Gedächtnis - auf der anderen Seite wurden hier nicht nur schwerwiegende Policy-Fehler begangen,
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sondern es wurden tief verstörende Einblicke in die Prioritätensetzung und grundlegenden Funktionsweisen der gesamten Politik offenbart, die der demokratischen Abstraktion in vielerlei Hinsicht einfach nicht entsprechen.

ENDE
+1: #NoCovid ist nichts anderes, als ein Bestreben, die Rahmenbedingung fallenzulassen und echte Epidemiebekämpfung zu betreiben.

Das ist auch der Grund, warum sie lange totgeschwiegen wurde, bzw. seitdem das nicht mehr möglich ist, stigmatisiert und belächelt wird.
+2 Man erinnere sich nur an die Vorstellung von @elvira_rosert im ÖRR, wo gleich zu Beginn der Begriff „extrem“ fiel - ein bizarrer Versuch, #NoCovid ex ante zu disqualifizieren, was aber leider auch in ein generelles Kommunikationsmuster von Politik und Medien passt.
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