So. Heute ist #TagGegenGewaltanFrauen .

Also versuche ich mich mal an einem Thread mit verschiedenen Aspekten.

Fangen wir damit an, dass wir über die #IstanbulKonvention reden. 1/X
Disclaimer: Das wird jetzt hier leider sehr binär gedacht, tut mir leid. In Statistiken und Forderungen zum Thema werden leider nicht-binäre Menschen nach wie vor ausgeblendet. Aber über Gewalt an Frauen zu sprechen ist trotzdem notwendig.

Also, die Istanbul-Konvention. 2/X
Dabei handelt es sich um einen durch den Europarat ausgearbeiteten völkerrechtlichen Vertrag aus 2011, "zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt". In Deutschland ist die Konvention seit 2018 anerkannt. Klingt gut, ist es aber nur halb. 3/X
Denn die konkrete Umsetzung des Schutzes von Frauen vor Gewalt ist nach wie vor unzureichend bis kaum umgesetzt. Das betrifft verschiedenste Bereiche, z. B. Justiz und Polizei, Medien, Finanzierung von Hilfsorganisationen und Frauenhäusern. 4/X
Fangen wir mit den Medien an: Oft wird von "Beziehungsdrama" oder dergleichen geredet, wenn ein Mann seine (Ex)-Frau/Freundin tötet, statt die Tat als das zu benennen, was sie ist: Ein #Femizid , die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. 5/X
Patriarchales Denken, toxische Männlichkeit und der vermeintliche Besitzanspruch eines Mannes auf (s)eine Frau werden immer noch ausgeblendet und nicht als Problem benannt. Dies ist aber nötig, um es zu erkennen und angehen zu können. 6/X
Denn Gewalt gegen Frauen durch ihre (Ex-)Partner ist allgegenwärtig. Jeden Tag wird eine Frau Opfer häuslicher Gewalt, jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch solche.
7/X
Das Thema Istanbul-Konvention und Schutz von Frauen bezüglich Justiz und Polizei ist der nächste Komplex, und er ist ein sehr unerfreulicher. Denn die Istanbul-Konvention wird leider eigentlich gar nicht beachtet.
Dazu gibt es heute zum #TagGegenGewaltanFrauen viele Artikel. 9/X
Das heißt im Klartext, dass es für von Gewalt betroffene Frauen Glückssache ist, ob sie zeitnah einen Platz im Frauenhaus finden. Es gibt keinen rechtlichen Anspruch darauf.
Deswegen bleiben viele Frauen bei ihren gewalttätigen Partner, weil sie nirgendwo hinkönnen. 12/X
Ob Prävention, schnelle Hilfe, fachkundiger Umgang mit Betroffenen sexueller Gewalt - es funktioniert eigentlich gar nix so richtig, weil die Grundlagen und Strukturen dafür nicht geschaffen werden. 14/X
Wenn es dann - und das passiert nur in einem kleinen Teil der Fälle - zu Anzeigen, strafrechtlicher Verfolgung und Gerichtsverfahren kommt, wird dann leider offenkundig, dass auch in der Justiz die Istanbul-Konvention weitgehend unberücksicht gelassen wird. 15/X
Täter werden milder bestraft, weil die Tötung nach einer Trennung erfolgte und das Besitzanspruchsdenken des Mannes zu seinem Vorteil berücksichtigt wird. (Ja, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.) 16/X
In anderen Fällen wird ein Verfahren wegen Körperverletzung lapidar eingestellt mit der Begründung, im Rahmen einer Trennung komme es nunmal zu Gewalt, da habe die Frau eben mit zu rechnen. 18/X

Siehe hier: https://twitter.com/die_wolff/status/1330800799170048002?s=20
Zu mehr Inhalten zu dem Thema folgt doch bitte @barbaraclemm und lest ihr großartiges, erschütterndes Buch #AktenEinsicht. 19/X
Nur am Rande möchte ich darauf eingehen, dass gewalttätige Männer nicht nur im Straf-, sondern auch im Familienrecht besser behandelt werden als die Frauen, die von ihrer Gewalt betroffen sind. 20/X
Frauen werden gezwungen, den Umgang ihrer Kinder mit dem Täter zu ermöglichen, ohne dass man sie unterstützt und sichere Übergaben ermöglicht. Begleitungen für Umgänge gibt es so gut wie nicht, und wenn dann oft nur, wenn das Kind sonst gefährdet wäre, die Mutter ist egal. 21/X
Da könnt ihr noch eins meiner Lieblings-Unwörter lernen: Auswahlverschulden.

Sprich, die Frau hat den Mann ja irgendwann mal ausgesucht, da muss sie jetzt doch wohl damit klarkommen, dass er sie Jahre nach der Trennung (oft über die gemeinsamen Kinder) weiter terrorisiert.

22/X
Zu dem Thema folgende Folgeempfehlungen:

Die Rechtsanwältin Asha Hedayati ( @frauasha), die sich für ihre Mandant*innen in genau diesen Fällen einsetzt.

Außerdem der @juristinnenbund , der ebenfalls für ein Justizsystem kämpft, in dem die Istanbul-Konvention umgesetzt wird.

23
Zuletzt sei noch gesagt, dass Femizide und Gewalt gegen Partnerinnen und Ex-Partnerinnen natürlich nur die Spitze des Eisbergs sind. Es gibt sowohl andere Tötungen an Frauen, weil sie Frauen sind, als auch andere Gewalt gegen Frauen, auch außerhalb Partnerschaften. 24/X
Wie viele Fälle das so sind, naja, MAN WEISS ES NICHT, denn darüber wird keine Statistik erhoben.

Siehe dieser Artikel hier: 25/X

https://amp.zdf.de/nachrichten/panorama/femizide-gewalt-gegen-frauen-100.html
Zuletzt noch ein paar Worte zu Hilfsorganisationen und Frauenhäusern: Diese sind seit immer und ewig chronisch unterfinanziert, haben zu wenig Plätze, zu wenig Personal, zu wenig alles.
Das ist eine politische Entscheidung.
26/X
Erfreulicherweise ist das Thema häusliche Gewalt durch die Pandemie etwas mehr ins Bewusstsein geraten, aber es war vor der Pandemie da und geht auch nach der Pandemie nicht weg. 29/X
Und es ist einfach zutiefst zynisch, diese Angebote permanent viel zu knapp zu halten, zu wenig zu finanzieren und zu fördern und dann auch nur irgendeiner Frau vorzuwerfen, sie sei ja so lange bei ihrem gewalttätigen Partner geblieben (andere Faktoren mal außen vor). 30/X
Ich könnte jetzt noch ewig so weitermachen. Es gibt zahllose Beispiele für unfassbare Gerichtsurteile, misogynes Verhalten von Polizei und Behörden, verzweifelte Berichte über überfüllte Frauenhäuser.
Stattdessen aber noch als letztes Folgendes: 31/X
Geschlechtsspezifische Gewalt muss wie jedes andere feministische Thema natürlich intersektional gedacht werden.
Frauen mit Be_hinderungen, Schwarze Frauen und Frauen of Color, Migrant*innen, kranke oder neurodiverse Frauen werden sehr viel häufiger Opfer von Gewalt. 32/X
Trans Frauen und generell trans, inter und nicht-binäre Menschen, queere Menschen werden ebenso häufiger Opfer von Gewalt, sei es körperlich, sei es strukturell oder auf noch andere Weise.
Das dürfen wir bei all den Diskussion um Gewalt gegen Frauen nicht vergessen. 33/X
Letzten Endes hängt alles mit allem zusammen, Cis-Sexismus, patriarchales Denken, binäres Geschlechterdenken und Geschlechterrollen bedingen und begünstigen auch, aber nicht nur, Gewalt gegen Frauen 34/X
Aber so lange wir diesen Scheiß noch nicht hinter uns gelassen haben, muss JETZT gehandelt werden, um Frauen zu schützen, im Alltag, in Notsituationen, vor Gericht, überall.
35/X
Also informiert euch, engagiert euch, wenn ihr könnt, spendet an bspw. Frauenhäuser oder Orgas, die sich für die Durchsetzung der Istanbul-Konvention einsetzen. Bleibt aufmerksam, wenn das Thema mal wieder in Vergessenheit zu geraten droht.

Ich glaub, das wars.
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