Immer wieder lese ich hier, es habe im Rahmen der COVID-19-Pandemie in Deutschland keinen „Lockdown“ gegeben. Das ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Erstens, weil das Wort erst im Rahmen der Pandemie ins Deutsche entlehnt wurde, um die Ausgangsbeschränkungen zu benennen, … 1/
… an die wir uns alle erinnern. Ein Lehnwort bedeutet aber nun einmal das, was die Sprecher_innen der entlehnenden Sprache damit meinen. Im Deutschen bezeichnet es also diese Art von Maßnahmen. Im @dwds_de findet sich bereits ein Definitionsversuch: https://www.dwds.de/wb/Lockdown  2/
Zweitens ändert sich die Bedeutung von Wörtern auch ohne Entlehnung, und es ist klar, dass ein einschneidendes Ereignis wie flächendeckende Geschäftsschließungen, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen einen Einfluss auf die Sprachentwicklung haben. Auch im Englischen… 3/
… hat die Bedeutung des Wortes sich durch den Sprachgebrauch der Pandemie entsprechend erweitert. Der Merriam-Webster (*die* lexikografische Autorität in den USA) verzeichnet die entsprechende Bedeutung ebenfalls schon: https://www.merriam-webster.com/dictionary/lockdown 4/
Mein grundsätzlicher Ratschlag ist deshalb, mehr Zeit darauf zu verwenden, die faszinierenden Wechselwirkungen sprachlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen zu genießen (und natürlich auch darüber zu diskutieren), und dafür weniger sprachliche Besserwisserei zu betreiben. 5/
Letzteres würde ich dem Verein Deutsche Sprache überlassen, der sich auf diesem Gebiet oft und gerne für euch blamiert und wahrscheinlich schon nach einer deutschen Alternativbezeichnung sucht – ich tippe auf „Schließunter“, „Abschließwahn“ oder „Stubenhock“. 6/6
Das ist ein interessanter Hinweis – das Wort „Lockdown“ dient möglicherweise einigen dazu, die Maßnahmen als (übertrieben) hart darzustellen. Andererseits dient die Kritik am Begriff wohl auch dazu, die Maßnahmen herunterzuspielen. https://twitter.com/mediumflow/status/1316372362120572935?s=20
Im Englischen hat sich für die Differenzierung von Maßnahmen der Sprachgebrauch „hard lockdown“ und „soft lockdown“ etabliert, zu Deutsch „harter/weicher Lockdown“ (oder, VDS-Sprech, „Rohrstockstubenhock“ und „Kuschelstubenhock“).
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