Wie können wir mit Ohnmacht umgehen?

Ein längerer Thread, für Menschen, die aktuell oder häufiger damit kämpfen, die Handlungsunfähigkeit aufgrund mangelnder verfügbarer Kontrolle zu ertragen.
Im besten Fall besteht unser Leben größtenteils aus Kontrolle und Hingabe, weil wir für andere Verantwortung übernehmen und sicher sein können, dass wiederum andere das dann auch für uns tun, sodass wir sorglos Verantwortung abgeben können.
Die Realität beschenkt uns jedoch noch mit den Zustand der Ohnmacht. Wir können nur zuschauen, sind ausgeliefert und kommen an die Grenzen unserer Handlungsmöglichkeiten.
Normale Konfrontation mit Ohnmacht sind Katastrophen, Tod, extreme Gesundheitliche Zustände, Machtmissbrauch
Das ist für viele eine zutiefst unangenehme Situation, vor allem, wenn man privilegiert genug ist, diesen Zustand kaum zu kennen.
Dann fällt es schwer, Ohnmacht mit Akzeptanz und evtl Kooperation als einzige Handlungsmöglichkeiten zu ertragen.
Verschwörungen entstehen unter anderem genau aus dieser Dynamik. Der Wunsch, durch egal wie abstruse Erklärungen Kontrolle zu bekommen, weil die Spannung anders nicht aushaltbar ist und Akzeptanz der eigenen Ohnmacht nicht in Frage kommt. Sich eine eigene Realität schaffen.
Womit wir zum ersten kommen, was hilft, Ohnmacht zu ertragen: Eskapismus, die Flucht von der großen Realität in eine andere, um sich abzulenken und Kontrolle über Inhalte zu bekommen.
Lesen, Spielen, Filme gucken, Lernen, selbst produktiv werden, Sozialkram, alles gängig.
Das ist gesund und wichtig, aber sollte immer darunter beobachtet und reflektiert werden, dass es nicht zur Ersatzrealität wird. Die Flucht sollte temporär sein, denn auch wenn euer Kopf jwd ist, euer Körper unterliegt den Gesetzen der Ist-Welt.
Hart, aber leider wahr
Was können wir also tun, wenn bewusste Auszeiten nicht mehr helfen? Wenn wir weiter Zuschauende eines interaktiven Filmes sind, aber er nur auf uns wirkt, wir nicht auf ihn?
Es gibt an dieser Stelle einiges, aber ich möchte mich auf meinen Weg beschränken.
Dieser Weg rettet mir und anderen regelmäßig den Arsch. Vielleicht auch euch.
1. Ihr seid ein Körper der sich in dieser Welt bewegt, schafft euch sicheres Terrain. Erabeitet euch selbst die Materie oder (oft bessere Variante) sucht euch jemanden, der kritisch, reflektiert, informiert ist und lasst ihn den Realitätscheck machen. Verantwortung und Hingabe.
2. Vermutlich werden euch viele Erkenntnisse erschlagen und Angst machen. Das ist okay. Ihr dürft überfordert sein, versucht es auszuhalten, redet mit Menschen darüber, die euch immer wieder rationalisieren können und helfen dadurch zu kommen.
Aber erlaubt euch Trauer und Wut. Das ist existenzieller Stress, vor allem, wenn er dermaßen kollektiv ist wie die Pandemie und einzelne mit Macht auch jetzt nur sich selbst sehen, es ist normal dass ihr den ganzen Tag den Bildschirm anschreien wollt. Man lässt euch im Stich.
3. Wut und Trauer umzulenken. Geht nicht immer,aber Energieerhaltungssatz: die Energie ist da und kann genutzt werden. Kümmert euch um euch selbst, versorgt Menschen, die erstarrt sind, schreibt Beschwerden an Medien, weil sie ihre Reichweitenverantwortung nicht wahrnehmen. Ehem.
4. Schafft Mikrosysteme: Sucht, wo ihr gezielt Verantwortung übernehmen könnt. Das führt bestenfalls zu einem synergetischen Effekt, bei dem andere dadurch genug Energie bekommen, ebenso Verantwortung in ihrem Rahmen zu übernehmen. So entstehen gesunde Fürsorgedynamiken.
5. (Rückfall) in die Starre:
Aber was wenn ich erstarrt bin oder durch irgendwas wieder erstarre, alle meine Möglichkeit wieder weg sind?
Dann kommt es zum wirklich anspruchvollen Teil, durch den eh ALLE durchmüssen
6. Grenzen bedingungslos akzeptieren.

Du gewinnst Spielraum, indem du deine Grenzen akzeptierst und deine Energie auf das konzentrierst, was in deiner Hand liegt.
Das ist manchmal Atmen und überleben. Das ist dann anspruchsvoll genug, erarbeitete dir deinen Raum schrittweise.
Wenn wir akzeptieren, das wir nur Einfluss auf einen kleinen Bereich haben, diesen aber erweitern können, sobald wir ihn kontrollieren, können wir effizienter agieren.
Stellt es euch wie eine Infektion (stark vereinfacht) vor. Ein Virus befällt für ihn gut erreichbares Gewebe und siedelt sich dort an, zwingt eine Zelle, Virionen zu produzieren, dann platzt sie, die V befallen mehr Zellen als vorher und breiten sich so Schritt um Schritt aus.
So wollt ihr langsam eure Handlungsmöglichkeiten ausbauen.
Dazu gehört Rückschläge zu akzeptieren und anzunehmen. Ihr könnt einiges nicht ändern, warum also kämpfen? Das ist kein Aufgeben. Das ist Anpassung und Umdenken. Strategiewechsel sind überlebenswichtig.
Menschen werden euch immer enttäuschen. Erwartungen werden immer nicht erfüllt. Ihr werdet immer ausgenutzt. Niemand kann alles erreichen, nur weil ein Wille da ist.
Ohnmacht heißt, akzeptieren, dass manchmal alles, was ich beinflussen kann, nichts ist.
Aber die Hoffnung haben, es kleinschrittig ändern zu können.
Es heißt Scheitern und Fehler als Normalität anzusehen und jeden Tag aufs neue das bestmögliche zu tun. Und wenn es Chips essen und Fernsehen ist.
Kümmert euch um euch selbst und dann um andere.
Wenn wir jede Extraenergie in Fürsorge stecken, dann können wir eine Menge erreichen.
Dann ist es egal, dass andere das System ausnutzen.
Radikale Akzeptanz von Grenzen, Realismus und Nächstenliebe. Damit schaffen wir es, Ohnmacht zu lösen Uhr die Welt zu verändern.
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