Gestern war der Tag an dem ich meiner Mutter gesagt habe, dass ich keine Schwurbel-Esoterik-Verschwörungsvideos mehr geschickt haben möchte. So fing unser 1-jähriger Cut vor 2 Jahren an. Ich krieg meine Mutter nicht mehr aus den Theorien und den Fängen der Theoretiker
raus. Thema durch. Ich hab nach 6 Jahren keine Kraft mehr, weil es einfach immer schlimmer wird. Ich bin im 4. Monat schwanger und schon jetzt brüllt sie regelmäßig mit Anti-Impf-Parolen auf mich ein und will dass ich Nahrungsmittelzusätze wie „körpereigenen Schwefel“ nehme.
Alles, was ich erzähle, wird auf „die da oben“ gemünzt. Meine Mutter ist lungenkrank, hat eine MNS-Befreiung und nimmt keine Medikamente mehr, weil sie den Ärzten nicht vertraut. Wie kann ich einer solchen Frau ihr Enkelkind vorenthalten und wie könnte ich nicht?
Meine Mutter war über 30 Jahre im öffentlichen Dienst angestellt, war engagierte Sozialdemokratin und geschichtlich interessiert. Jetzt denkt sie die Regierung will uns mit Chemtrails vergiften. Anstatt immer von „Idioten“ zu sprechen, will ich Euch nur sagen, dass diese Gruppen
unfassbar gut vernetzt sind. Vereine, eigene Mumble/Discord-Server, organisierte Treffen. Für die ergibt alles Sinn. Alles. Stützen sich gegenseitig. Es ist die „verlorene Kontrolle“ zurückholen. Unter ihnen sind viele viele AkademikerInnen. Mehr als man glaubt.
Es ist fast so als hätte ich meine Mutter an eine Droge verloren. Rede ich gegen ihre Ideologie, bin ich „die Indoktrinierte“. „Das dumme Schaf“. Versuche ich zu überzeugen, werde ich ausgelacht und mit „Erkundige Dich einfach mal etwas besser! Nicht nur in Deinen Büchern!“
abgewehrt. Jeden Tag bekomme ich neue Links und Videos geschickt. Podcasts. Zum Geburtstag habe ich einen Stromlosen Kocher und einen Wasserfilter bekommen. Brot in Dosen. Eine Aufforderung auf einen Evakuierungsplan einzugehen. Redet bitte nicht immer von den ganzen
„Idioten“. Es ist echt schlimmer und weitreichender als ihr denkt. Es reißt Freundschaften und Familien auseinander. Aber auch das ist alles nur ein „Plan von oben“.
Puh! Vielen Dank für so viel Interesse, Mitgefühl, Tipps und Antworten. Ich versuche mich da später mal durchzulesen und dann auch zu antworten!
Nach einigen Rückmeldungen möchte ich doch noch gerne etwas hinzufügen: Ich habe meine Mutter und ihre Sorgen/Ängste von Anfang an ernst genommen und habe mich komplett offen und frei auf alles eingelassen, was sie zu sagen hatte. Es begann halt alles damit, dass sie mir
2014 nahegelegt hat, dass ich mir den gelben Schein besorgen soll, weil sie nicht möchte, dass ihre Tochter staatenlos ist. Mein Freund, der Geschichte studiert hat, und ich haben dann versucht ihr Angst zu nehmen indem wir alles debunkt haben. Weiter ging es mit „ganz Hollywood
ist Transgender und das soll unsere Kinder übersexualisieren. Iris Berben ist auch ein Mann. Hier, das hat die bei Gottschalk zugegeben!“ Auch da sind wir offen, sachlich und helfend geblieben. Wenn Deine Mutter aber nach vielen Jahren Dich nur noch beschimpft und davon spricht,
dass die [hier das rassistischste Wort einfügen, dass man sich vorstellen kann] unterirdisch gehalten werden bis sie marodierend durch die Straßen laufen und Dir Links zu Webinaren mit Ancient Aliens schickt (hatte ich hier auch in der einem Thread verewigt), dann ist man
Irgendwann am Ende angelangt. Ehrlich. Und natürlich war bei mir schnell der Gedanke da, dass meine Mutter an einer Psychose leidet. Wenn dann das restliche Umfeld die Augen verschließt, reaktiviert und froh ist, dass meine Mutter in diesem Milieu einen Partner
gefunden hat und damit denen nicht mehr auf die Nerven geht, weil man ja jetzt jemanden zum Austausch hat...ja, da ist man machtlos. Machtlos und gelähmt. Meine Mutter hatte ein hartes Leben mit vielen Schicksalsschlägen, Erkrankungen und Enttäuschungen. Irgendwie kann ich
verstehen wie man in die Fänge von sowas geraten kann. Aber ab einem gewissen Punkt muss ich mich retten. Ich war nie verurteilend und vorwurfsvoll, aber es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Ein sehr langer und anstrengender Kampf. Viele von Euch machen dieselbe Erfahrung
und das tut mir echt leid. In den Replies sind einige tolle Literaturtipps und andere Links dabei. Ich werde mich da durcharbeiten und Euch auf dem Laufenden halten. Danke nochmal fürs Teilen Eurer Ansichten! Ich habe mich sehr allein gefühlt, jetzt nicht mehr. Das ist auf eine
sehr paradoxe Art und Weise sehr heilsam und augenöffnend. Vielleicht werde ich meiner Mutter das hier alles zeigen.
You can follow @KaeteHaete.
Tip: mention @twtextapp on a Twitter thread with the keyword “unroll” to get a link to it.

Latest Threads Unrolled: