Liebes Internet,
ich bin 21 Jahre alt und wurde positiv auf #Covid_19 getestet. Ich bin soweit asymptomatisch, aber was dieser eine Test für einen Rattenschwanz an Folgen nach sich zieht, davon macht man sich kein Bild. Daher ein etwas längerer #Thread 1/x
Ich lag aus einem vollkommen anderen Grund auf der chirurgischen Station im Krankenhaus und sollte eigentlich am 6.5. entlassen werden. Da ich in einer Pflegeeinrichtung arbeite, schreibt das Gesetz vor, dass ich vor meiner Entlassung getestet werde. 2/x
Dieser Abstrich wurde am 5.5. gemacht.
Ein Tag später, ich will auf dem Flur meiner Zimmernachbarin und mir einen Kaffee holen. Mit panischem Rufen und Winken werde ich wieder auf mein Zimmer geschickt. "Sofort zurück aufs Zimmer, Ihr Abstrich war positiv!" 3/x
Sofort gehe ich aufs Zimmer, total perplex. Das einzige, was ich rausbekomme: "Hm, ja, jetzt gibt es erstmal keinen Kaffee..."
Meine Nachbarin ist geistig behindert, versteht die Tragweite nicht. Ich erzähle ihr, dass ich krank bin, das habe, wovon dauernd erzählt wird. 4/x
"Aber ich hab nix, ich hab ja nix!", an diesen Satz klammert sie sich die nächsten Stunden. Ich sage ihr nicht, dass sie es inzwischen durchaus haben könnte.
Die nächsten zwei Stunden hören wir nichts, sitzen nur rum und machen Smalltalk. Was gerade wohl draußen los ist? 5/x
Das Mittagessen wird uns reingebracht, natürlich mit Schutzkleidung und so schnell wie möglich. Ich frage die Schwester, wie das mit der Pflege meiner Nachbarin aussieht (im Rolli, frisch am Bein operiert). "Das machen wir, dafür haben wir Schutzkleidung" Ich bin beruhigt. 6/x
Inzwischen habe ich telefonisch alle meine Kontakte der letzten Tage gewarnt, schwerpunktmäßig meine Kollegen und natürlich meinen Arbeitgeber. Im Hintergrund kommt eine riesige Maschinerie ins Rollen. Ich weiß jetzt schon, dass viele in Quarantäne gehen müssen. 7/x
Eine Schwester steckt kurz ihre Nase durch die Tür und fragt nach meiner Handynummer. Fünf Minuten später erhalte ich einen Anruf vom Krankenhaushygieniker, der drei Zimmer weiter sitzt. Er ist sehr freundlich und erklärt mir, was jetzt passieren wird. 8/x
Fünf Minuten später der Anruf vom Gesundheitsamt meiner "Arbeitsstadt". Die Virologin benötigt umgehend meine Arbeitskontakte per Mail und die Nummer der Pflegedienstleitung. Ich habe im Vorfeld schon eine Liste gemacht und schicke sie ihr. 9/x
Als nächstes der Anruf vom Gesundheitsamt meiner Heimatstadt. Der Sachbearbeiter wird sich um meine Privatkontakte und nochmal speziell um mich kümmern. Bisher waren alle Telefonate sehr nett und strukturiert. Dem Sachbearbeiter schicke ich meine Privatkontakte per Mail. 10/x
Meine Zimmernachbarin muss auf die Toilette. Wir klingeln dreimal, aber niemand kommt. Weil ich mich ihr nicht nähern und auch nicht die Tür öffnen darf, um Hilfe zu rufen, sage ich ihr genau, was zu tun ist und sie schafft es.
Corona entschuldigt nicht für alles!!!!! 11/x
Inzwischen ist das Gesundheitsamt auf meinem Arbeitsplatz angekommen, macht sich ein Bild und stellt alle Bewohner unter Quarantäne. Auch alle Kollegen bis auf zwei, mit denen lange oder noch nie Kontakt bestand, müssen in Quarantäne. 12/x
Sie dürfen sich vorerst ihren (Klein)Kindern nicht mehr nähern, bis ihr Testergebnis vorliegt.
Inzwischen bekomme ich die Nachricht: Sachen packen! Zehn Minuten später werde ich von den Johannitern in Schutzkleidung noch im Zimmer auf den Krankentransportstuhl geschnallt. 13/x
Die Krankenhausflure sind wie ausgestorben, während ich zum KTW gerollt werde, der mich nach Hause bringt. Die Johanniter sind super freundlich und gelassen (fettes Lob!), auf der Fahrt machen wir Witze und ich kann mich für einen Moment vom Schlamassel ablenken. 14/x
Wieder daheim laufe ich auf dem Innenhof meinen Hausnachbarn über den Weg. Ich gehe beiseite und warne sie, man wünscht mir gute Besserung.
Alle meine Kontakte stehen inzwischen unter Quarantäne, auf der Arbeit werden externe Arbeitskräfte rekrutiert. 15/x
Außerdem werden alle meine Kontakte spätestens am folgenden Tag getestet. 15 Telefonate später falle ich erschöpft in die Federn.
Nächster Tag: Alle meine Kontakte werden nach und nach getestet, daheim oder im Drive-In. 16/x
Anruf vom Gesundheitsamt: Wie eng war der Kontakt zur Familie (privat)? Ehrlich gebe ich zu, dass wir manchmal unachtsam waren. Zehn Minuten später der erboste Anruf von der Familie, was ich denn dem Amt erzählt habe?!? Man müsse ja nicht alle Details erwähnen... 17/x
Erleichtert höre ich, dass meine Zimmernachbarin negativ getestet wurde!
Mein Sachbearbeiter ruft gegen 12 Uhr an. Er könne sich vorstellen, dass ich heute etwas mehr Schlaf hätte brauchen können, daher der Anruf am Mittag. Er empfiehlt mir die Nachbarschaftshilfe. 18/x
Dann übergibt er meinen Fall an die Nachsorge. Ich erhalte von nun an täglich einen Anruf. Wenn ich mich auch beim zweiten Kontrollanruf nicht melde, wird das Amt von einem Notfall ausgehen und die Feuerwehr alarmieren, die erst klopft und dann die Tür eintritt. 19/x
Während mich immer mehr Nachrichten über durchgeführte Tests erreichen, melde ich mich bei der Nachbarschaftshilfe und bekomme sehr schnell eine liebe Dame vermittelt, die für mich einkaufen gehen wird. Das ist mir etwas peinlich, muss aber sein. 20/x
Meine erste Kollegin, die schon am Tag des Geschehens getestet wurde, bekommt ein negatives Ergebnis, genau wie meine Mitbewohnerin. Immer mehr Erleichterung. 21/x
Und damit kommen wir heute (9.5.) an.
Alle meine getesteten Privatkontakte sind negativ, meine Kollegen warten noch. Dafür sind sie inzwischen Ortsgespräch, die Nachbarn reden teilweise nicht mehr mit ihnen. Das widert mich an! Was können sie denn dafür? 22/x
Ich sage euch jetzt eins: Dagegen ist Maske tragen und Hände waschen gar nichts!
Die Angst, jemanden mit einem tödlichen Virus angesteckt zu haben.
Die Ungewissheit, wie es jetzt weitergeht.
Die Ohnmacht, während jede Entscheidung für dich getroffen wird!
Das will keiner. 23/23
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