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Eigentlich wollte ich diese Woche einen Test schreiben:
„Das Schlimmste, was ‚der Wirtschaft‘™ passieren kann, ist eine schnelle Lockerung der Maßnahmen."

Aber nun wurde ähnliches schon aus berufenerem Munde geäußert, daher hier nur einige Punkte in Kurzform.
1. Es stimmt: Wer denkt, es stünde aktuell einfach „die Rettung von Menschenleben“ gegen „wirtschaftliche Interessen“, macht es sich viel zu leicht. Nicht nur eine unkontrollierte Pandemie, auch eine ausgedehnte Rezession oder Depresssion würde sehr viele Menschenleben fordern.
2. Diejenigen, die Punkt 1 betonen, machen es sich meistens viel zu leicht. Die Vorstellung, dass die Wirtschaft eines Landes auch nur halbwegs normal operiert, während in den Krankenhäusern Zustände wie zuletzt in Norditalien, Ostfrankreich oder New York herrschen, ist absurd.
Das hält keine auch nur ansatzweise demokratische Gesellschaft aus. Im Faschismus wäre es vielleicht möglich.
3. Sollte es durch ein Wiederbeleben des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens zu einem erneuten starken Anstieg der Fallzahlen kommen, müsste man alles bald wieder dichtmachen – womöglich noch gründlicher und länger als zuvor.
Dann hätte man mehr Todesopfer durch Covid-19 *und* mehr wirtschaftlichen Schaden *und* mehr Todesopfer durch wirtschaftlichen Schaden. Das Schlechteste aller Welten.
4. Völlig falsch ist auch die Vorstellung, die Maßnahmen der Regierung seien die Hauptursache für den aktuellen wirtschaftlichen Abschwung. Tatsächlich sind sie nur eine von vier akuten Ursachen:
a) die Krankheit selbst und die Angst vor derselben, b) das Einbrechen der Nachfrage, c) das Stocken oder Abreißen von Produktionsketten, d) die Maßnahmen der Regierung. (Zudem gab es auch davor schon Krisenanzeichen.)
5. Auch wenn die Regierung es nie verboten hätte, würden heute weniger Menschen in Clubs und Restaurants gehen, was deren Existenz gefährden würde. Einige Betreiber_innen waren regelrecht dankbar für die Zwangsschließung, weil sie ihnen die schwere Entscheidung abnahm.
6. Autofabriken in Deutschland stehen nicht still, weil die Regierung es angeordnet hätte – das hat sie nie. Autofabriken stehen still, weil weniger Menschen Autos kaufen wollen und weil...
...die Teile, aus denen Autos in Deutschland zusammengesetzt werden, aus Ländern kommen, in denen die Produktion zum Erliegen gekommen ist. Deshalb kann die Regierung die Schließung der Fabriken auch gar nicht beenden.
7. Zur Illustration: Selbst in Südkorea, wo die Pandemie mittlerweile faktisch als aufgehalten gelten kann, hat KIA Motors diese Woche die Produktion heruntergefahren – weil die Nachfrage im Ausland eingebrochen ist.
Kurzum: Jede Forderung, durch ein baldiges Ende der Maßnahmen „die Wirtschaft“™ und somit Menschenleben zu retten, kann getrost in der Schublade „blinder Aktionismus“ abgelegt werden.
Ähnliches aus berufenerem Munde: https://www.boeckler.de/pdf/p_imk_pb_88_2020.pdf
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