Der Diskurs um die europäische Finanzpolitik der Krise wird von der impliziten Unterstellung begleitet, dass die Länder des europäischen Südens nicht so gut "gehaushaltet" hätten, wie wir. Das ist kein kluger Diskurs, denn er verstößt gegen Logik. Ein Thread:
Wenn ich sage, dass der Diskurs gegen Logik verstößt, bedeutet das nicht, dass ich alle für Idioten halte. Es werden gewisse Annahmen im Diskurs vorausgesetzt und nicht weiter überprüft. Der Diskurs findet auf einer anderen Ebene statt. Gehen wir gemeinsam 2 Schritte zurück:
Deutschland hatte im Jahr 2018 ca. 300 Mrd. Nettozuflüsse aus dem Ausland. Diese ermöglichten Überschüsse bei den privaten Haushalten, bei den Unternehmen und beim Staat. Bedeutet: Jeder unserer Sektoren hat in den letzten Jahren mehr eingenommen, als ausgegeben.
Ich persönlich kann nur nur etwas einnehmen, wenn jemand anderes etwas ausgibt. Es gibt keine Einnahme, ohne eine Ausgabe und keine Ausgabe, ohne dass jemand anderes eine Einnahme erhält. Versucht mal etwas zu verkaufen, und beide Parteien nehmen Geld ein. Unlogisch.
Nehme ich mehr ein, als ich ausgebe, spare ich. Das bedeutet aber zwangsläufig, dass irgendjemand mehr ausgibt, als er einnimmt - also entspart, oder sich verschuldet.
Schaut man sich alle Privatpersonen zusammen an, dann bleibt diese Logik erhalten. Alle Privatpersonen können in der Summe nur mehr einnehmen, wenn eine andere Gruppe - wie zum Beispiel Unternehmen, Staat oder Ausland - mehr ausgeben, als sie einnehmen.
Da in Deutschland alle Sektoren in der Summe mehr einnehmen, als sie ausgeben, ist es nur logisch, dass das nur funktionieren kann, wenn das Ausland mehr ausgibt, als es einnimmt. Eine Strategie, die wir immer wieder anderen Ländern empfehlen, was aber vollkommen unlogisch ist.
Warum haben wir diese Nettozuflüsse und warum sind diese in den vergangenen 20 Jahren so massiv angestiegen? Klar, wir verkaufen mehr Produkte ans Ausland, als wir aus dem Ausland einkaufen. Aber warum ist das so?
Oft wird behauptet, dass unsere Produkte einfach so viel besser sind. Wir haben bestimmt gute Produkte, aber ist die Qualität dieser in den letzten 20 Jahren um ein vielfaches gestiegen?
Wohl kaum. Wir sind in eine Währungsunion eingestiegen und haben als erstes unseren Arbeitsmarkt "wettbewererbsfähiger" "reformiert". Das hat uns billiger gemacht und unsere Importe reduziert.
Durch die gemeinsame Währung, hat sich kein Wechselkurs zu Italien, Frankreich oder Spanien zu deren Gunsten verändert. Wir haben uns einen Wettbewerbsvorteil gegenüber unseren Nachbarn der Währungsunion geschaffen. Bei gemeinsamer Währung kann das doch nur zu Problemen führen?
Unsere Überschüsse sind mit den Schulden unserer Nachbarn gegenfinanziert. Wir verlangen von diesen Ländern, dass sie auch - so wie wir - preislich wettbewerbsfähiger werden. Das ist aber unlogisch. Es können nicht alle wettbewerbsfähiger werden. Gegenüber wem sollen das ALLE?
Wenn unsere Nachbarn versuchen - so wie wir - preislich wettbewerbsfähiger zu werden, dann wird ihnen das wirtschaftlich nicht weiterhelfen. Im Gegenteil. Es wird ihre Volkswirtschaften weiter schwächen.
Was hingegen hilft, sind Investitionen in Infrastruktur, Industriepolitik, ökoloigscher Umbau, Bildung und Wissenschaft, Gesundheit und Pflege... INVESTITIONEN
Dazu braucht es keine "Solidarität" in Form von Almosen. Sie brauchen nicht unser Geld, sondern die Möglichkeit, selbstständig neue Anleihen herauszugeben. Wir haben die EZB, die im Rahmen ihres Mandats, die Renditen darauf niedrig halten kann. Einfach ihren Job machen kann.
Wenn wir ALLE in Europa gleichzeitig die Staatsschulden reduzieren wollten, würde unsere Wirtschaft derart darunter leiden, dass am Ende doch wieder neue Schulden gebraucht werden.
Staatsschulden sind jedoch nur dann ein Problem, wenn wir uns Regeln schaffen, die daraus ein Problem machen. Wenn wir z.B. willkürliche Schuldenhöchstgrenzen erlassen, denen keine logische Begründung zugrundeliegt.
Wir sollten uns mit dem Gedanken anfreunden, dass Staatsanleihen keine Belastung sind, sondern dazugehören und dass diese nicht irgendwann von einer künftigen Generation reduziert werden müssen. Es wird nicht gut gehen, ewig einen unlogischen Diskurs zu führen.
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