Wir - eine DE-NL-AT-Forschergruppe - schreiben heute in der FAZ über abgehängte Regionen in der €zone, und wie nach der Corona-Krise ein politisches und ökonomisches Konvergenz-Projekt gestartet werden könnte: @jvtklooster @ponattudom @maxkrahe Thread /1

https://zeitung.faz.net/faz/wirtschaft/2020-04-14/gleichwertige-lebensverhaeltnisse-im-euroraum/448171.html
Überall fahren Regierungen und Notenbanken schwere Geschütze auf, um die Krise zu bekämpfen. Für den Euro wird Corona trotzdem zur Zerreißprobe werden. /2
In ihrer jetzigen Architektur gleicht die Eurozone einem Netz aus Glas. Um die Eurozone langfristig zu sichern, müssen die Ursachen dieser Zerbrechlichkeit erkannt und behoben werden. /3
Die Gründe für die €-Zerbrechlichkeit sind im Kern politisch, technische Lösungsansätze liegen seit Jahren auf dem Tisch. Es mangelt an zwischenstaatlichem Vertrauen, besonders im Norden, und an Legitimität in den Augen der Bevölkerung, vor allem im Süden. /4
Die Gründung der Eurozone vor zwanzig Jahren war mit dem Versprechen von „Wohlstand für alle“ verbunden – für alle Regionen gleichermaßen. /5
Dieses Versprechen wurde nicht eingelöst. Im Gegenteil: Die Eurozone driftet ökonomisch auseinander. Die Pro-Kopf-Einkommen in den Nord-Euroländer und Süd-Euroländern sind weiter auseinandergedriftet, auch innerhalb der einzelnen Ländern bestehen große regionale Unterschiede. /6
Die jüngere volkswirtschaftliche Forschung nennt Gründe für die wachsende Divergenz. Besonders erfolgreiche Unternehmen ballen sich im Regelfall dort, wo schon viel Wertschöpfung stattfindet. /7
Aufgrund besserer regionaler Arbeitsmärkte, Forschungs- und anderer Synergieeffekte sowie bestehender Zulieferer- und Kundennetzwerke sind die dortigen Renditen höher, selbst wenn Löhne, Mieten und andere Kosten andernorts niedriger sind. /8
Wegen ihrer besseren Ausgangsposition haben die Länder im Norden ihren Vorsprung seit Euro-Gründung noch ausgebaut. Gleichzeitig war die Angleichung der Lebensverhältnisse – obwohl als Ziel postuliert – in der Praxis nie Priorität europäischer Wirtschafts- und Finanzpolitik. /9
Bei einem endgültigen Abschied von diesem Versprechen müssen die Erwartungen an den Euro nach unten korrigiert werden. Damit aber würde seine Legitimität geschwächt und sein Ansehen beschädigt. Es ist fraglich, ob der Euro diese Korrektur überhaupt überleben würde. /10
Wenn das Versprechen hingegen eingehalten werden soll, müssen den Worten Taten folgen. Nur so kann das Vertrauen wiederhergestellt werden, von der letztlich die Zukunft der Eurozone abhängt. /11
Aber: Eine Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse durch permanente Fiskaltransfers ist weder politisch noch ökonomisch tragfähig. Schon in Vergangenheit waren sie nicht mehrheitsfähig; wird sich wohl auch nach Bewältigung der Corona-Krise nicht ändern. /12
Eine andere Möglichkeit wäre, die regionale Verteilung der Wertschöpfung auszugleichen. Die Uckermark, Andalusien und Großräume wie Neapel oder Thessaloniki müssen ein ähnliches Wertschöpfungsniveau erreichen wie München, Mailand oder der Großraum Amsterdam. /13
An Werkzeugen dafür mangelt es nicht: koordinierte nationale oder eine europäische Industriestrategie, gezielte Investitionen in Infrastruktur und Schlüsseltechnologien, ein Neudenken der EZB-Politik, ein europäisches Investitionsbudget. /14
Der Einsatz dieser Instrumente könnte dazu beitragen, alle Regionen an zukünftigen Wohlstandszuwächsen teilhaben zu lassen. /15
So wie die Vereinigten Staaten das Silicon-Valley durch öffentliche Investitionen vor allem in Spitzentechnologien stark gemacht haben, könnten strukturschwache Räume durch ähnliche Ansätze gezielt gefördert werden. /16
Die Ideen von Maria Mazzucato geben Anhaltspunkte. Eine europäische Industriepolitik könnte Teile strategischer Wertschöpfungsketten, etwa in der Batterieproduktion, gezielt durch strukturschwache Regionen laufen lassen. /17
Wir müssen mehr lernen, wie wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen auf einzelne Regionen wirken. Im Vergleich zu nationaler und supranationaler Fiskal- und Geldpolitik ist regionenspezifische Wirtschaftspolitik von Forschung relativ stiefmütterlich behandelt worden /18
Richtungsentscheidung: Wollen wir das ursprüngliche Konvergenzversprechen des Euro erfüllen – wofür wir plädieren –, so muss ein politisches und ökonomisches Projekt folgen, das auf Konvergenz der Wohlstandsniveaus durch Angleichung der Wertschöpfung abstellt. /end
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